Samstag, 15. März 2014

Vung Tau Trip



Anstatt heute zum Unterricht zu fahren, geht es mit Yoga zur Bushaltestelle, wo uns ein Kleintransporter erwartet, der uns zusammen mit einigen anderen AIESECern in die vietnamesische Hafenstadt Vung Tau bringen soll. Die Kleintransporter heißen hier zwar auch alle Ford, Mercedes und Co. haben mit den uns bekannten Modellen aber wenig und unserer Straßenverkehrsordnung gar nichts zu tun. Der Wagen, der dem Deutschen für Kleinstumzüge dient, fasst jetzt etwa 15 Personen in Miniatursitzreihen und bringt uns aber natürlich trotzdem nach 3 Stunden sicher ans Ziel, wo wir von einer dort lebenden Kollegin in Empfang genommen werden. Im Eingangsbereich ihres Elternhauses werden uns Früchte gereicht, die mich endlich wissen lassen, dass es solche Früchte nicht nur in einer Packung „Haribo Tropifrutti“ gibt. Wir besichtigen kurz einen lokalen Markt, auf dem ich glücklicherweise nicht meine Lebensmittel kaufen muss und werden zu unserer Wochenendbleibe gefahren; einem leer stehenden Apartment.
Ein eigens gemieteter Viehtransporter mit kleinen Bänken soll uns die nächsten zwei Tage kutschieren und fährt uns erst mal direkt zum Abendessen. Es gibt Hot Pot, also eigentlich Fisch in Fischsoße, was nicht mein Ding ist, aber dennoch den Weg in meinen Magen finden muss, da in Vietnam niemand bereit ist mir einfach nur Reis mit Gemüse zu kredenzen, auch wenn ich dafür noch so viel bezahlen würde. Man scheint mich hier generell für einen Perversen zu halten, wenn ich nach Gemüse frage und ich halte mich selbst schon für einen Gourmet-Nazi, da ich Schnecken, Schlangen und meine 3-fach tägliche Fleischportion verschmähe. Zurück im Apartment verspürt jeder das Bedürfnis sich zu duschen, was etwa 3 Stunden in Anspruch nimmt, da es für 15 Leute ein Bad gibt. Ich bereite mein Bett auf dem harten, kalten Fliesenboden indem ich meinen Kopf auf den Rucksack lege. Nachdem der letzte gegen 2 Uhr morgens sauber ist, kann ich die Augen schließen und zumindest 2 Stunden ruhen, bis wir um 4 geweckt werden; Sonnenaufgang am Strand steht an. Die Sonne kann mich mal; ich schlafe weiter. Gegen 8 stehe ich auf, kann mich in Ruhe duschen und fertig machen. Ich bin der einzige im Apartment und will mir mit Lesen die Zeit vertreiben, bis die anderen gegen 9 vom Strand wiederkommen. Um 10 ist aber immer noch niemand da und ich beschließe mir draußen ein Eis zu kaufen, am Kiosk, dass sich in Mitten der Hochhaussiedlung befindet, die den Namen Seaview trägt. Leider hat nach Fertigstellung der Wohnanlagen irgendwer diese riesigen Hügel zwischen das Meer und den Blick gesetzt. Hier wohnen die Reichen – so wurde mir gesagt – in einer Ostblock-Romantik zwischen grauem Stahl und Beton. Als die anderen gegen halb 1 wieder zurückkehren, schlafe ich schon wieder. Die anderen Praktikanten erleichtern mein Gewissen, indem sie mir erzählen, dass der Sonnenaufgang schon längst keiner mehr war (da 15 Leute 2 Stunden Zähne putzten) und der Strand nichts mit den Bildern im Internet zu tun hat. Wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass Vung Tau Vietnams einziger Öl-Hafen ist und die Ölplattform vor der Küste nicht nur das Land, sondern auch den Strand und das Meer mit Öl versorgt. Nachdem sich wieder jeder geduscht hat, fahren wir 2 Stunden später mit unserem Truppentransporter, den ich jetzt schon in mein Herz geschlossen habe, zum Mittagessen. Ich verspüre jedes Mal das dringende Bedürfnis aufs Dach des Wagens zu klettern, werde aber darauf hingewiesen, dass man das so nur in Bangladesch, Indien und Pakistan machen würde.
Heute Mittag steht Oktopus und Tintenfisch auf dem Speiseplan, die Köche erbarmen sich meiner und lassen mich aus einem Napf weißen Reis essen; dazu bestelle ich mir noch ein Hühnerbein. Alle sind zum Rand vollgestopft, doch jetzt geht es weiter zu einem Eisstand, an dem ein türkischer Auswanderer original türkisches Eis verkauft und damit prächtigen Erfolg hat. Die Bällchen sind nicht größer als eine Kirsche, , aber teurer als in Deutschland. Nach dem Eis geht es weiter in ein gemütliches Teehaus, wo es für mich einen leckeren Mangoshake gibt, in dem geleeartige Kügelchen schwimmen. Weiter geht es von dort zum Abendessen, mit dem wir den Tag, der alleine aus Essen und Trinken bestand, beenden wollen.
Auf der offenen Flamme in einem gefliesten Raum, der – wie alle anderen Restaurants auch – zur Straße hin offen ist, werden Kriechtiere aller Art und Gattung geschmort. Auf dem Boden, von dem ich auf meinem zwanzig Zentimeter hohen Kinderhocker aus Plastik, nicht allzu weit entfernt bin, liegen zertretene Schneckenhäuser und Muscheln mit dazugehörigen Bewohnern, die hier inmitten des Drecks ihr schleimiges Grab finden. Ich verzichte heute aufs Abendessen.
Auf dem Rückweg zum Apartment kaufen wir etwas Bier für unsere kleine Party heute Abend, in der meine unüberwindbare Humorbarriere zu meinen vietnamesischen Kollegen ihren skurrilen Höhepunkt findet. Nachdem ich die Wochen davor schon aufgegeben hatte, Sarkasmus oder Ironie zu verwenden, halte ich es am Wochenende nicht mehr aus und erzähle einfach munter jeden Blödsinn, der mir so einfällt. Meiner holländischen Kollegin, die seit diesem Wochenende bei uns ist, geht es mit dem Humor zum Glück genauso und so haben zumindest wir etwas zu lachen, wenn ich den staunenden Vietnamesen auf dem Markt vor den Reisigbesen erzähle, dass wir uns in Deutschland damit den Rücken schrubben oder uns die Zähne putzen. Ich muss das Ganze dann zwar letztendlich immer aufklären, wenn sie im Begriff sind Deutsche als völlig Verrückte wahrzunehmen, wir haben aber unseren Spaß und auch der ein oder andere Vietnamese muss dann lachen.
Bevor wir beginnen unsere gekauften Früchte zu verspeisen und das vietnamesische Bier zu verköstigen, möchte unsere Projektleiterin eine japanische Kollegin verabschieden, die uns diese Woche verlässt. Sie ist sehr schüchtern und redet eigentlich nie, wird nun aber aufgefordert aufzustehen und ein Lied zu singen, damit wir ihre Stimme einmal hören, was ich leider völlig daneben finde. Nachdem sie dann sozusagen vom 10er geschubst wurde und ein japanisches Kinderlied gesungen hatte, sollte sie noch drei Personen nennen, die sie am liebsten mochte. Die Holländerin und ich können uns kaum noch halten vor Lachen, da wir das Ganze so unmöglich finden. Ich möchte die Japanerin aus dieser, auch ihr, sichtlich unangenehmen Situation retten und schlage vor, sie solle doch die drei Personen nennen, die sie überhaupt nicht mochte, um aufzuzeigen, dass das hier doch eine unangenehme Sache ist. Wie bereits erwähnt, weiß jedoch leider keiner wie mit Sarkasmus umzugehen ist und so wird die Frage nach den drei unliebsamsten Menschen in der Runde an meine japanische Kollegin weiter gereicht. Wir haben jetzt vor unterdrücktem Lachen Tränen in den Augen und wissen auch nicht mehr weiter. Zum Glück lassen sie nach einiger Zeit des Schweigens endlich von ihr ab und wir beginnen die Früchte zu essen und das Bier zu trinken. Nach einem Bier fallen alle plötzlich in eine extreme Schläfrigkeit und die, die noch aufstehen können wanken lallend durch den Raum. Die Party ist beendet und ich suche meinen Schlafplatz auf, auf dem ich diesmal ganz gut schlafen kann; alles Gewohnheit.
Am nächsten Morgen wollen wir eigentlich wieder früh raus, da heute ein Drachen-Festival stattfinden soll, dass aber auf Grund eines aufziehenden Sturms, dessen Ausläufer wir schon gestern bemerkt hatten, ausfällt. Wir schlafen also noch etwas weiter und fahren dann frühstücken, bevor es wieder im Bus zurück nach Saigon geht.
Ich bekomme zum Frühstück eine riesen Portion Reis mit süßem Schweinefleisch, einem Spiegelei, einer, mit Fleisch gefüllten, Teigtasche und einem Haufen Schweinehaut. Ich kam zwar schon einmal unwissentlich in den Genuss der Schweinehaut, verzichte aber gerne zu Gunsten eines vietnamesischen Kollegen darauf. Für den restlichen Tag gesättigt werden wir nun durch den tropischen Regen zum Busbahnhof gebracht an dem ich dann auch noch eine kräftige Dusche von oben bekomme, als ich das Gepäck meiner Kollegin aus dem Kofferraum hole. Es regnet und stürmt wirklich unglaublich und wir stehen bis in den Knöcheln im Wasser, dass die Straßen wirklich zu Flüssen macht. Der Bus bahnt sich seinen Weg durch das entgegen fließende Wasser und wir sehen zu, wie er einen Motorradfahrer nach dem anderen vollspritzt. Wir umkurven umgestürzte Bäume, fahren über abgerissene Starkstromkabel, die im Wasser liegend nicht das beste Bild abgeben und erreichen doch irgendwann sicher den Busbahnhof von Saigon, wo es nicht minder stark regnet. In meinem Zimmer falle ich schon am frühen Abend ins Bett und bleibe auch da.

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