Montag, 12. März 2012

Tag 5

Ein guter Tag

Der Tatsache geschuldet, dass ich trotz des Unterrichts, mit verbundener Müdigkeit wieder erst gegen 4 den Weg ins Bett gefunden habe, beginnt mein Tag erst um die Mittagszeit. Es ist Wochenende, also kein Grund für schlechtes Gewissen. Ich sitze an meinem Laptop um meine Mails abzurufen. Kein beiläufiges Unterfangen bei gefühlter 32k-Übertragung. Der Rechner zelebriert das Öffnen jeder Nachricht, während ich gelangweilt auf und ab gehe und versuche, dass ein oder andere zu erledigen. Von einem ohrenbetäubenden Rauschen werde ich aus meiner E-Mail-Lethargie gerissen. Ich ducke mich reflexartig, die Decke stürzt ein, denke ich. Ich gucke nach draußen, ob eventuell ein LKW seine Ladung Kies vor das Haus schüttet. Es regnet jedoch einfach nur monsunartig. Ich ziehe den Vorhang wieder zu und schüttle etwas betroffen den Kopf. Ich fühle mich ziemlich europäisch; etwas dämlich. Ich denke darüber nach, dass die Blechbauweise des Vordaches für den hohen Geräuschpegel verantwortlich ist. So muss ich mich weniger schämen.
Vor der Tür bietet sich mir ein völlig verändertes Bild der Stadt. Die Temperatur ist angenehm, die Farben sind satter, der Smog scheint verflogen und mit ihm alle graue Tristesse. Es scheint, als sei die ganze Stadt einmal kräftig durch gespült worden. Wurde sie schließlich auch für etwa eine Minute; mehr war es nicht. Ich suche zielgerichtet das „Highland Coffee“ auf, eine Art Starbucks, um einen guten Café zu trinken und etwas Kleines zu Essen. Nicht nur die Stadt, auch die Menschen scheinen ausgewechselt. Von zwei Vietnamesinnen werde ich hinter der Theke direkt mit einem verschämten Gekicher und Lächeln begrüßt. Zudem sprechen sie ein klein bisschen Englisch. Es wird ein guter Tag. Ich bestelle meinen Café und werde gebeten mich zu setzten. Ich suche mir einen Platz an einem Tresen mit Blick aus dem Fenster Richtung Straße. Im Hintergrund läuft beschwingt leichte Jazz-Musik, während ich dem Treiben auf der Straße zusehe. Die Menschen scheinen sich für das Wochenende schick gemacht zu haben und sehen viel fröhlicher aus, als die Tage zuvor. Ich unternehme eine kulinarische Zeitreise in die koloniale Vergangenheit Vietnams; ich bestelle Crock Monsieur und bekomme French-Toast mit Pommes. Eine solide Sache. Beim Bezahlen bitte ich die Kellnerin, zu ihrer Freude, mich bei der Aussprache des vietnamesischen Danks zu korrigieren. Ich wende das gerade Gelernte an und verabschiede mich.


Sightseeing

Hauptpostamt und Diamond Plaza
Hauptpostamt
Notre Dame
Ich möchte einige der Sehenswürdigkeiten noch einmal bei Tageslicht sehen und habe sowieso nichts zu tun. Los geht es bei „Notre Dame“, der neoromanischen Version ihrer gotischen Schwester im fernen Westen. In der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts scheinen den Kolonialherren aber die Ziegel ausgegangen zu sein, sodass die beiden Glockentürme nur etwa 40 Meter erreichen und es der Basilika im Ganzen etwas an Glanz und Spektakel fehlt. Schön anzusehen ist sie trotzdem, wie sie in Mitten des Verkehrs stoisch ruht. Vor dem Überqueren der Straße werde ich noch von zwei weiblichen Philippinos ins Gespräch verwickelt, die jedoch nach der Feststellung, dass ich „just a student“ sei, das Interesse an der Konversation verlieren und mich ziehen lassen.
Notre Dame
Der Platz vor der Basilika mit seiner Marienstatue, dem angrenzenden alten Hauptpostamt und den vielen altehrwürdigen Hotels versprüht den Charme der alten Kolonialzeit. Weiter der Straße in Richtung Saigon River folgend, werden sowohl Leute als auch Läden schicker. Riesige Shoppingtempel reihen sich neben französische Restaurants, die mit viel Prunk und Weißgold locken. In einem trägt ein Kellner eine französische Kolonialuniform mit entsprechendem Tropenhelm. Als ich mir das Hotel Caravelle etwas näher anschauen möchte werde ich auf eine Leuchtreklame aufmerksam, die deutsches Bier verspricht. Dahinter ist das „Bräuhaus“ (was das „ä“ soll, weiß ich nicht), in dessen Innerem Vietnamesinnen im bayrischen Dirndl servieren. Mit dem Gedanken wiederzukommen, ziehe ich in Richtung Fluss weiter. Es ist schon lange dunkel und auf dem Fluss sieht man von Weitem eine traditionelle Dschunke, deren Segel beleuchtet sind. Später merke ich jedoch bei näherem Betrachten, dass das Boot überhaupt keine Segel hat und schon gar nicht traditionell ist. Ich überquere den stark befahrenen Kreisel und setzte mich auf eine Bank am Rande des Ufers; neben mir ein Restaurant. Während ich versuche ein paar gute Bilder zu erhaschen, stört mich eine Stimme von hinten. Genervt winke ich ab und schüttle den Kopf, ohne den Störenfried eines Blickes zu würdigen. Es ist kraftraubend sich jedes Mal gegen Bettler und Straßenverkäufer zur Wehr zu setzten. Verwundert, dass er sich so leicht abwimmeln lies, drehe ich mich und bemerke, dass er weder betteln noch verkaufen, sondern lediglich meine Bestellung aufnehmen wollte, da ich mich offensichtlich auf der, dem Restaurant zugehörigen, Terrasse befand. Ich denke darüber nach, wie herabwürdigend ich auf ihn gewirkt haben muss und mache mich beschämt auf den Weg. Auf dem Heimweg fällt mir ein kleines, ausgestopftes Krokodil auf, dass in einem Laden ausgestellt ist. Ein Schild teilt mir folgendes mit: ´Crocodile said:“please, do not touch me“´. Ich denke über Sprachbarrieren nach und ob das Krokodil noch leben würde, wenn es stattdessen den Satz „please, do not stuff me“ gelernt hätte.

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